Fähigkeit, Motivation und die Gelegenheit für ein neues Verhalten – das sind die drei Voraussetzungen für eine Änderung im Mobilitätsverhalten. Wenn wir von Voraussetzungen für eine Veränderung im Mobilitätsverhalten sprechen, dann geht es oft um die Frage, wie der Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel gelingen kann, weg vom Auto, hin zum Fahrrad, Lastenrad oder ÖPNV. Nach wie vor ist das Auto das dominante Verkehrsmittel, mit seinem Versprechen an flexible, bequeme, zuverlässige und schnelle Mobilität.
Städte wie Stuttgart und Hamburg setzen auf Angebote wie zeitlich beschränkte kostenlose ÖPNV-Tickets für Neubürger. Die freie Verfügbarkeit, so die von Studien untermauerte These, kann den Wandel hin zu höherer Nutzung des ÖPNV fördern.
Aber wie sieht es eigentlich umgekehrt aus? Was, wenn ein Auto frei verfügbar vor der Haustür steht, bei Menschen, die sich vornehmlich mit Rad oder Bahn fortbewegen? Das haben wir bei Nuts - wie zuvor schon beim Lastenradsharing - im Selbstversuch getestet. Fünf Monate lang stand der von uns liebevoll BEVerly getaufte MG Marvel R auf unserem Firmenparkplatz, bereit, uns von den Vorteilen des (E-)Autofahrens zu überzeugen. Und wir machten fleißig Pläne, für welche praktischen Einsätze und Freizeitaktivitäten wir BEVerly nutzen könnten. Gelegenheit, Fähigkeit und Motivation für eine umfassende Nutzung und eine Verhaltensänderung waren also gegeben.
Wie BEVerly unser Mobilitätsverhalten (nicht) veränderte, möchten wir hier mit euch teilen.
Mehr Komfort, Flexibilität und Zeitersparnis – Vor(ur)teile im Praxistest
Flexibilität, Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Komfort. Das sind für viele die Hauptargumente für das Auto. Einfach einsteigen und losfahren. So viel vorab: So einfach war es dann doch nicht. Das hatte unterschiedliche Gründe. Zum Beispiel, dass BEVerly uns als Pooling-Fahrzeug zur Verfügung stand. Wer sie nutzen wollte, musste sie also niedrigschwellig reservieren. Das schränkte die Flexibilität gegenüber einem eigenen Fahrzeug, das die meiste Zeit seines Lebens einfach auf dem Parkplatz steht und geduldig und allzeit bereit auf seinen Besitzer wartet, natürlich ein. Allerdings stand auch BEVerly, trotz ihrer Vielzahl an potenziellen Nutzer*innen viel auf dem Parkplatz und wartete auf uns. Engpässe und zeitliche Nutzungskonflikte gab es nie. Und selbst eine ziemlich spontane Nutzung war möglich: Als das Privatauto eines Kollegen kurz vor einem Ferienausflug schlapp machte, erwies sich BEVerly als Glücksfall und rettete den Familienurlaub.
Auch der Mangel an Erfahrung mit E-Autos erhöhte den Planungsaufwand. Wie und wo lädt man BEVerly am besten auf? Wie weit reicht eine Ladung? Mehr zu unseren Erfahrungen zum Thema Ladung erfahrt ihr hier. An diese Fragen mussten wir uns zunächst herantasten, wie alle Nutzenden einer neuen Mobilitätsform. Das an sich ist also kein Grund gegen eine Nutzung oder für eine negative Bewertung. Doch trotz wachsender Expertise blieben Parkplatz- und Ladesäulensuche bis zum Ende eine konstante Mental Load.
Keine überfüllten S- oder U-Bahnen mehr im Feierabendverkehr. Das naheliegendste Einsatzszenario für BEVerly war der Pendelweg von und zur Arbeit. Gerade für Kolleg*innen, die außerhalb des S-Bahnrings wohnen und nicht mit einer guten ÖPNV-Anbindung gesegnet sind, versprach das eine echte Erleichterung. Und so brachte BEVerly uns sicher und zuverlässig in die Außenbezirke Berlins. Aber auch schneller und komfortabler? In puncto Zeitersparnis erwiesen sich Parkplatzsuche und Berufsverkehr als Endgegner: Zwar wäre außerhalb des Berufsverkehrs beim Pendeln die Strecke mit BEVerly schneller zu bewältigen als mit der S-Bahn. Doch auch diesen Reisezeitvorteil fraß am Ende die Parkplatzsuche wieder auf. Und wenn man dann noch im Berufsverkehr feststeckte, sank mit dem steigenden Stresslevel die Freude am Fahren.
Neben den Pendelfahrten waren Wochenendausflüge ein zweites Szenario, in dem der Einsatz eines Autos Vorteile versprach: Über das Wochenende einfach mal mit den Kindern Oma und Opa auf dem Land besuchen? Mit dem ÖPNV kein leichtes Unterfangen und mit einem hohen Maß an Planungsaufwand verbunden. Der entfällt bei der Nutzung eines Autos.
Anders als bei der ÖPNV-Nutzung, wo man an feste Fahrpläne gebunden ist und Fahrten genau plant, konnten wir mit BEVerly einfach losfahren, wann wir wollten. Ein klarer Vorteil im Hinblick auf unsere Flexibilität. Doch hatte das Versprechen an schnelle, flexible Mobilität mit dem Auto einen negativen Effekt auf unsere Pünktlichkeit: In der Annahme, dass wir mit dem Auto wesentlich schneller sein würden, schätzten wir die Reisezeit falsch ein und mussten BEVerly mitunter gegen vorurteilsbehaftete Häme à la „Na, bist du liegengeblieben, mit deinem E-Auto?“ verteidigen. Nein, BEVerly tat zuverlässig ihren Dienst, brachte uns von A nach B, doch wir verkalkulierten uns in unserer Unerfahrenheit und angesichts des, wie sich herausstellte, falschen Zeitversprechens.
Fahr- oder Stehzeug? Ein Rückblick auf 5 Monate mit BEVerly
Bevor BEVerly Teil unseres Alltags wurde, hatten wir viele Pläne, was wir mit ihr alles unternehmen könnten: Wochenendausflüge an die Ostsee oder ein spontaner Trip nach Köln, ein Großeinkauf bei IKEA oder auch Fahrten im beruflichen Kontext. Von den Plänen blieben am Ende die Pendelfahrten, ein paar wenige Familienausflüge und die Erkenntnis, dass wir gar nicht so viele Gründe haben, ein Auto sinnvoll (und sei es zur Freizeitgestaltung) zu nutzen, wie gedacht. Und trotz anfänglich großer Motivation, Fähigkeit und Gelegenheit war es am Ende oft so, dass wir uns gegen die Nutzung entschieden: Am Wochenende fehlte dann doch einfach die Lust, sich ins Auto zu setzen, um einfach loszufahren. Zu umständlich, zu wenig komfortabel. Obwohl BEVerly als Pooling-Fahrzeug für die Use Cases, für die wir sie einsetzten (als Ersatz für (S-)Bahn bzw. ggf. auch einen Mietwagen), optimal war, stand sie doch die meiste Zeit auf dem Parkplatz, legte nur etwas mehr als 2.100 km zurück und wurde nur von drei von zehn Mitarbeitenden überhaupt genutzt. Die fünf Monate mit BEVerly haben uns in der Auffassung bestärkt, dass es, für uns als Großstädter*innen, zwar ein paar gute, aber insgesamt nur wenige Gründe zur Nutzung eines Autos gibt. Vor allem haben sie uns aber auch gezeigt, wie schwierig das mit der Änderung im Mobilitätsverhalten tatsächlich ist.
Trotzdem bleiben wir dran und arbeiten in unseren Projekten unermüdlich an unserem Ziel: Eine bessere Mobilität für alle!
Nächste Woche folgt Teil II und steht ganz im Zeichen unserer Erfahrungen mit Ladesäulen, Apps und Akku-Kapazitäten.
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